Wenn das Wildgras mit dem Urgetreide

Am Anfang war’s ein schöner Zufall. Wild kreuzten sich die Gräser – spontan und natürlich. So entstanden die Urgetreide. Als vor etwa 10’000 Jahren die Jäger und Sammler sesshaft wurden, standen Emmer und Einkorn auf den ersten Äckern. Die Urgetreide ermöglichten den Menschen den Übergang zur Sesshaftigkeit und damit die soziokulturelle Evolution. Emmer und Einkorn wurden über die Jahrtausende züchterisch kaum verändert, ihre Ursprünglichkeit und ihre Kraft haben sich bis heute erhalten.

Steinmühle, spätes
Neolithikum, Malaga, Spanien
Steintafel mit Emmer
Sack mit Saatgut

Frühe Gaben des Orients

Die frühesten Formen des Ackerbaus fanden Archäologen im Gebiet des «Fruchtbaren Halbmonds» zwischen Euphrat und Tigris. Hier liessen sich 8000 v. Chr. erstmals Menschen dauerhaft nieder. Sie bauten die grosskörnigen Wildpflanzen an und ernteten regelmässig. In der Jungsteinzeit fand sich Emmer in fast jeder Siedlung des Vorderen Orients.

Keilschrifttafel, ca. 3000 v. Chr.,
Mesopotamien. Verwaltungskonto zur Verteilung von Gerste und Emmer

Ötzis letzte Stärkung

Über frühe Handelswege fanden Emmer und Einkorn ihren Weg von Westpersien über Ägypten, Nordafrika und den Balkan nach Mitteleuropa. So erstaunt es nicht, dass sich schon der Steinzeitmensch Ötzi mit Einkorn gestärkt hat für seinen letzten Weg über den Gletscher und zu spätem Ruhm als älteste Steinzeit-Mumie der Welt.

Ötzi
Wandmalerei

Wogendes Gold der Pharaonen – und Julius Cäsars Liebling

Es waren die Ägypter, die das erste Brot backten. Die Urgetreide wurden nicht mehr als Körner gegessen, sondern zu Teig verarbeitet. Emmer und Einkorn avancierten damit zum wichtigsten Anbaugetreide im Land der Pharaonen, im antiken Griechenland und im Römischen Reich. Der Legende nach war Emmer Julius Cäsars Lieblingsgetreide. Emmer steckt in «Brot und Spiele», und an die Pharaonen erinnert das lateinische «Farratum» und das italienische «Farro» für Spelzgetreide.

Rückkehr auf die Felder und Teller

Die Urgetreide ernährten einst ganze Völker. Doch im Mittelalter mussten in den Städten immer mehr Menschen ernährt werden. Also wurden die Getreide auf Ertrag gezüchtet. Emmer und Einkorn waren bald nur noch Vorfahren der heutigen «Brotweizen». Bis sie während der Industrialisierung beinahe komplett verschwanden. Ruhig warteten die Urkörner in vergessenen Winkeln alter Scheunen auf ihre Wiederentdeckung – auf neues Aufkeimen in neuen Zeiten.

Löffel voll Einkorn